Einige Monate zuvor war eine Beziehung zu Ende gegangen, und ich war verzweifelt. Ich hatte Angst, dass ich bald zu alt sein würde, um eigene Kinder zu bekommen. Ich fühlte mich wie eine Versagerin, denn ich wusste schon immer, dass ich gerne eine Familie hätte, aber irgendwie hatte es bisher nicht gepasst.
Noch vor ein paar Jahren, im Jahr 2018, als der Sammelband „Nicht nur Mütter waren schwanger“ erschien, lag mir das Thema Kinderkriegen noch nicht so auf der Seele. Damals hatte ich mich – noch aus bequemer Entfernung – mit Beratungen bei unerfülltem Kinderwunsch beschäftigt. Mich faszinierte, wie Menschen, insbesondere alleinstehende Frauen, bei unerfülltem Kinderwunsch informierte Entscheidungen treffen können. Und wie die wachsende Industrie der Reproduktionsmedizin neue Möglichkeiten bietet, aber auch neue Zwänge schafft – und dabei einiges an Geld umsetzt.
Fast forward zum Jahreswechsel 2022/2023: Ich recherchierte verschiedene Kinderwunschkliniken und entschied mich für eine Praxis, die auf ihrer Webseite schrieb, dass alleinstehende Frauen mit Kinderwunsch willkommen seien. Das ermutigte mich. Trotzdem fühlte ich mich während der Behandlung dort wie eine Ausnahme, zum Beispiel, als ich viele Bögen ausfüllen musste und immer wieder die Zeile für „Ehemann“ freiließ. Die vielen Male, die ich im Wartezimmer saß, waren außer mir auch immer nur Paare anwesend. Kein Wunder: Kinderwunschkliniken richten sich hauptsächlich an verheiratete heterosexuelle Paare mit Fruchtbarkeitsproblemen, die eine künstliche Befruchtung anstreben. In diesem Fall zahlen die gesetzlichen Krankenkassen 50 % der Kosten für drei Behandlungen. Auch Frauen, die an Krebs erkrankt sind, werden unterstützt, Eizellen einfrieren zu lassen. Homosexuelle Paare und alleinstehende Frauen wie ich erhalten keine Unterstützung. Für das Eizelleneinfrieren gab ich insgesamt gut 4000 Euro aus, dazu kommen laufend die monatlichen Lagerungskosten.
Für mich sind die Themen Kinderwunsch und insbesondere meine Entscheidung, Eizellen einzufrieren, sehr persönlich. Als ich mich für die Behandlung entschied, wollte ich zunächst mit niemandem darüber reden und hätte die ganze Sache gerne ganz alleine durchgezogen. Das ging jedoch nicht, und ich bin froh über die Menschen, die mich in dieser Zeit unterstützt haben. Meine Mitbewohnerin nahm die Medikamente, die ich in den Niederlanden bestellt hatte, entgegen, während ich bei der Arbeit war, weil sie dort günstiger sind, und packte sie gleich in den Kühlschrank. Für die Eizellentnahme erhält man eine Vollnarkose und muss abgeholt werden, da man möglicherweise verwirrt ist. Eine Freundin holte mich ab und brachte mich nach Hause.
Der Prozess des Social Freezing beginnt mit einer Untersuchung des sogenannten Anti-Müller-Hormons (AMH), das die Eizellreserve bestimmt. Dieser Wert gibt einen Hinweis darauf, wie viele fruchtbare Eizellen in den Eierstöcken noch vorhanden sind und hilft, die Erfolgsaussichten der Behandlung besser einzuschätzen. Falls die Behandlung aussichtsreich ist, folgt die hormonelle Stimulation der Eierstöcke. Dabei werden Hormone wie Follikelstimulierendes Hormon (FSH) und Luteinisierendes Hormon (LH) über etwa 10 bis 14 Tage in Form von täglichen Injektionen verabreicht. FSH regt die Eierstöcke dazu an, mehrere Eizellen gleichzeitig reifen zu lassen, während LH den Eisprung vorbereitet. In einem natürlichen Zyklus reift normalerweise nur eine Eizelle heran, aber durch die Hormone werden mehrere Eizellen gleichzeitig zur Reifung angeregt. Während dieser Phase finden regelmäßige Kontrollen per Ultraschall und Blutuntersuchungen statt, um die Entwicklung der Eizellen zu überwachen und sicherzustellen, dass die Eierstöcke nicht überstimuliert werden.
Sobald die Eizellen reif genug sind, löst eine letzte Hormonspritze, meist Humanes Choriongonadotropin (hCG), den Eisprung aus. Etwa 36 Stunden später erfolgt die Eizellentnahme. Diese wird in einem kurzen, ambulanten Eingriff durchgeführt. Dabei werden die Eizellen mithilfe einer feinen Nadel aus den Eierstöcken abgesaugt. In der Regel können pro Zyklus zwischen 5 und 15 Eizellen entnommen werden, abhängig davon, wie der Körper auf die Hormonstimulation reagiert.
Nach der Entnahme werden die Eizellen sofort mittels Vitrifikation, einem ultraschnellen Gefrierverfahren, eingefroren. Dieses Verfahren minimiert das Risiko von Eiskristallen, die die Zellen schädigen könnten. Die Eizellen können über viele Jahre hinweg gelagert werden, ohne dass ihre Qualität dadurch beeinträchtigt wird. Es gibt keine feste Obergrenze, wie lange sie eingefroren bleiben können; Fachleute gehen davon aus, dass Eizellen auch nach 10 oder mehr Jahren noch verwendbar sind. Eine gesetzliche Altersgrenze, um eingefrorene Eizellen befruchten zu lassen und eingesetzt zu bekommen, gibt es in Deutschland nicht. Viele Praxen orientieren sich jedoch an der biologischen Fruchtbarkeit der Frau und setzen eine Grenze, zum Beispiel 50 Jahre.
Ich hatte Angst vor der Behandlung, davor, mir selbst jeden Tag eine Spritze zu setzen, vor der Vollnarkose und der Entnahme. Das Spritzen war dann jedoch weniger schwierig als gedacht. Auch die Eizellentnahme war okay, aber ich hatte danach noch zwei Tage ziemlich starke Schmerzen und war froh, dass es Wochenende war und ich nicht arbeiten musste. Seitdem sind ein paar Eizellen eingefroren und warten auf ihre weitere Verwendung – falls ich sie denn brauche. Die eingefrorenen Eizellen sollen mich entlasten, damit ich mir weniger Sorgen mache. Sie sollen mir das Gefühl von mehr Zeit geben. Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Richtig entspannt bin ich mit dem Thema aber weiterhin nicht, obwohl ich inzwischen wieder in einer Beziehung bin.
Die meisten Menschen in meinem Umfeld, die sich Kinder wünschen, haben bereits eine Familie gegründet. Andere, die Eizellen eingefroren haben, kenne ich nicht, aber vielleicht reden sie einfach nicht darüber. Ich erzähle das ja auch nicht jedem. Dabei bin ich vielleicht gar nicht so ungewöhnlich, wie es mir vorkommt. Als ich mich für Social Freezing entschied, war ich gerade mit der Veröffentlichung meiner Doktorarbeit beschäftigt. In Deutschland bekommen Frauen im Durchschnitt mit 31,7 Jahren ihr erstes Kind. Wenn sie einen Studienabschluss haben, bekommen sie ihr erstes Kind erst mit etwa 34 Jahren. Ich kann mir als (cis) Frau mit dem Kinderkriegen nicht so viel Zeit lassen wie ein (cis) Mann, wenn ich eigene Kinder und die Erfahrung der Schwangerschaft erleben möchte. Homosexuelle und trans Menschen stehen vor ganz anderen Herausforderungen als ich.
Aber reden wir kurz über biologisch weibliche Menschen. Ein Mädchen kommt mit etwa 1 bis 2 Millionen unreifen Eizellen (auch Primärfollikel genannt) zur Welt. Diese Eizellen befinden sich in den Eierstöcken und bleiben bis zur Pubertät in einem ruhenden Zustand. Ab der Pubertät beginnt in jedem Menstruationszyklus eine Reifung von Eizellen, wobei pro Zyklus meist nur eine Eizelle heranreift und zum Eisprung freigegeben wird. Mit der Zeit nimmt die Anzahl der Eizellen kontinuierlich ab. Bis zur Pubertät sind etwa 300.000 bis 400.000 Eizellen übrig. Im Laufe des Lebens einer Frau werden aber nur etwa 300 bis 400 Eizellen tatsächlich ovuliert, also freigesetzt. Der Rest der Eizellen geht durch einen natürlichen Prozess namens Atresie verloren, bei dem unreife Eizellen nach und nach absterben.
Die Primärfollikel – also die unreifen Eizellen – entstehen bereits im Bauch der Mutter, während das Baby (also der Fötus) noch in der Gebärmutter heranwächst. Wenn ich mit einem Mädchen schwanger bin, trage ich also meine Enkelin bereits in mir, sollte es sie denn geben. Wusstet ihr das?
In der Zukunft wird in der Reproduktionsmedizin wahrscheinlich noch viel mehr möglich sein. Aktuell wird in Deutschland über die Legalisierung der Eizellspende diskutiert. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hat im April ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Darin kam sie zu dem Schluss, dass verfassungsrechtlich und ethisch nichts gegen eine Erlaubnis der Eizellspende in Deutschland spricht. In Zukunft könnte auch die sogenannte Spindeltransfer-Methode eine Rolle spielen. Dabei wird der DNA-Kern der Mutter, der alle Erbinformationen enthält, in die Eizelle einer Spenderin eingesetzt, aus der zuvor der Kern entfernt wurde. Diese Methode kombiniert die genetischen Informationen der Mutter mit den besonders fruchtbaren Zellstrukturen der Spenderin, insbesondere den Mitochondrien, die als „Energiekraftwerke“ der Zelle dienen. So entsteht eine neue, sehr fruchtbare Eizelle, die den genetischen Code der Mutter trägt, aber die Energieversorgung der Spenderin nutzt.
Ich finde es beeindruckend, was heutzutage bereits alles möglich ist, und ich wünsche allen Menschen, dass sie ihre Kinder- und Familienwünsche realisieren können. Dennoch sehe ich nicht nur emanzipatorische Möglichkeiten in diesen Entwicklungen. Zum Beispiel hörte ich zum ersten Mal von der Möglichkeit, Eizellen einzufrieren, als 2014 in den Nachrichten berichtet wurde, dass Unternehmen wie Google, Apple und Facebook ihren Mitarbeiterinnen das Eizelleneinfrieren finanzieren, damit sie sich länger auf ihre Karriere konzentrieren können. Was bedeutet es für meine Selbstbestimmung, wenn mein Arbeitgeber so stark Einfluss auf meine Möglichkeiten hat, später Kinder zu bekommen?
Oft wird auch kritisiert, dass Kinderwunschkliniken eine falsche Sicherheit verkaufen. Das ist ein Punkt, mit dem ich mich schon 2018 in meinem Text für „Nicht nur Mütter waren schwanger“ auseinandergesetzt habe. Denn auch Social Freezing bietet keine Garantie auf ein eigenes Kind. Die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung mit eingefrorenen Eizellen hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Alter der Frau beim Einfrieren der Eizellen und ihrer individuellen Fruchtbarkeit. In Deutschland ist es alleinstehenden Frauen zwar erlaubt, Social Freezing in Anspruch zu nehmen, aber die künstliche Befruchtung mit Spendersamen für alleinstehende Frauen ist rechtlich komplex und wird von vielen Kliniken nicht durchgeführt, da die Gesetzeslage schwammig ist. Zwar ist eine Samenspende erlaubt, jedoch gibt es keine rechtliche Verpflichtung für Kinderwunschkliniken, alleinstehende Frauen zu behandeln, weshalb dies oft verweigert wird. Die private Samenspende ist zwar nicht verboten, bringt jedoch rechtliche Unsicherheiten mit sich, insbesondere bezüglich Unterhalts- und Sorgerechtsfragen. Selbst wenn ich einen Partner habe, kann die Methode der künstlichen Befruchtung scheitern, da der Erfolg nie garantiert ist. Selbst mit fruchtbaren Eizellen und hochwertigem Sperma liegt die Erfolgsquote pro Versuch nur bei etwa 20 bis 30 %. In jedem Fall sind die Kosten hoch. Ich finde, Reproduktionsmedizin sollte nicht nur etwas für reiche, heterosexuelle verheiratete Paare sein.
Was mich außerdem bedrückt: Einmal mehr wird mit den Ängsten von Frauen Geld gemacht. Ich wünsche mir eine Arbeitswelt, die familienfreundlich ist, und eine Gesellschaft, die Menschen dabei unterstützt, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Manchmal ertappe ich mich dabei, neidisch auf diejenigen zu sein, die bereits Kinder haben, und dafür schäme ich mich. Ich lerne, mit meinen Ängsten und meiner Scham umzugehen und an meine eigene Timeline zu glauben. Meine Zukunft liegt für den Moment auf Eis. Aber wenn ich will, kann ich sie jederzeit auftauen. Ohne Garantie auf nichts, versteht sich, aber auf jeden Fall mit eigener Entscheidung.
P.s.: Kaum ein halbes Jahr, nachdem ich den Text für den Blog eingereicht habe, bin ich ohne medizinische Hilfe schwanger und mein Partner und ich freuen uns riesig.
Dass da noch Eizellen auf Eis liegen, finde ich weiterhin gut: Vielleicht will ich ja irgendwann noch ein zweites Mal schwanger werden und vielleicht funktioniert es dann nicht mehr so einfach und schnell wie dieses Mal?
Ich bin voller Staunen, wie schnell sich der Blick auf die eigene Zukunft ändern kann. Insgesamt glaube ich, dass das Thema „Kinder kriegen oder nicht“, fernab von Differenzen aufgrund von Geschlecht oder Sexualität, uns alle zurückwirft auf die eigene Endlichkeit, auf die Abfolge der Generationen, darauf was wir weitergeben, an wen und wie.
Johanna Francesca Montanari ist eine deutsch-italienische Autorin und Pressereferentin. Sie lebt in Berlin und liebt Schreiben, Lesen, Lektorieren und zwar alles zwischen politischer Theorie, poetischer Philosophie und Romance. Eigentlich geht es bei ihr immer um Beziehungen (zu anderen, zu uns selbst, zum Kapitalismus, zur Öffentlichkeit) und darum, Handlungsspielräume auszukundschaften und zu erweitern.