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Gespräch

Kinderwunsch ist universell unisex

Gesprächsprotokoll
Benjamin Czarniak. Protokoll: Lena Bauer

Eine kluge Freundin von mir hat mal gesagt: „Du wirst Elter ab dem Moment, an dem du dich entscheidest, Elter zu werden.“ Der Kinderwunsch spielt also eine große Rolle im Elternsein.

Rückblickend würde ich sagen, dass ich ziemlich sauer bin auf das System. Es hat es mir schwer gemacht. Zum einen die vorherrschenden Vorstellungen, dass Männer keine Kinder kriegen, auch wenn sie es könnten. Zum anderen hat mir die Rechtslage die letzten Nerven geraubt. 

Es war ganz schön deprimierend. Dafür war es umso schöner zu hören, dass ich überhaupt schwanger werden kann!

Nach meiner Fehlgeburt, die ich im ersten Teil von „Nicht nur Mütter waren schwanger“ beschrieben habe, brauchte es einen Sommer, bis ich wieder schwanger werden wollte. In der Zeit, als ich versucht habe schwanger zu werden, konnte ich kein Testo nehmen.


Wie ich eine passende Spermaspende fand

Mein Text in dem Sammelband endet mit dem Wunsch, mit einer befreundeten Person schwanger zu werden. Wir haben es dann bestimmt ein halbes Jahr – wenn ich noch länger – probiert mit den Samen schwanger zu werden. Aber die Samenqualität stimmte nicht.

Das ist meine erste Empfehlung an alle, die schwanger werden wollen: Checkt die Samenqualität!

Also habe ich neu angefangen, zu gucken: Samenbank in Dänemark? Das hat sich alles so falsch angehört. Ich hatte das Gefühl, es läuft so viel Sperma auf der Straße herum, da steht das Geld, was ich für eine Befruchtung zahlen soll, überhaupt nicht im Verhältnis. Ich habe angefangen, im Freund*innenkreis herumzufragen. Jedoch gab es da kein Interesse, Samen zu spenden.

Daraufhin habe ich mich auf einer Onlineplattform angemeldet – Familyship. Ich bin mit einem schwulen Typen in Kontakt getreten, der sagte, er würde seine DNA weitergeben. Ansonsten würde er nicht weiter involviert sein wollen und habe überhaupt kein Interesse an einer Vaterrolle. Okay.

Wir haben uns getroffen und er blieb dabei: Er könne es sich vorstellen. Er war sogar damit einverstanden, als ich gesagt habe, wie wichtig es für das Kind sei, dass es immer die Chance habe, dieses andere biologische Elternteil zu kontaktieren.

Ich finde es wichtig, denn Fragen wie „Warum will mich dieser Mensch nicht?“ und „Wo komme ich her?“ geklärt werden können müssen. Für die eigene Identitätsentwicklung ist eine Antwort auf diese Fragen total wichtig.

„Alles klar, kein Problem“, meinte er. Also haben wir vorher ein paar Sachen festgehalten: Wenn es mal jemanden geben soll, der das Kind adoptieren will, dann würde er die Vaterschaft dafür auch anerkennen und seine abgeben.

Wir waren ready: Ich meinte, „!n vier Tagen bin ich fruchtbar. Wie schauts denn aus?“ Wir haben es versucht und ich war sofort schwanger. Das kam für mich sehr überraschend. Es klingt einfach, aber es war ein ganz schöner Ritt bis zu dieser Schwangerschaft. Ich war mehrere Jahre damit beschäftigt und auch die Zeit ohne Testo war ein ganz schönes Investment.



Vorbereitung der Geburt

In der Zwischenzeit hatte ich jemanden kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich schwanger geworden bin, waren wir ein Jahr zusammen. Schon bevor wir irgendwas angefangen haben, war klar, dass ich einen Kinderwunsch habe. Und sie meinte so kühl: „Mach mal, ich habe keinen Kinderwunsch. Das ist dein Ding.“

Als ich schwanger wurde, hieß es dann also: Sie muss sich entscheiden. Entweder Beziehung mit Kind oder keine Beziehung. Das war erst mal ganz schön holprig. Wir haben uns für eine Paarberatung entschieden. Die hat uns gut durchgeführt und meine Partnerin entschied sich für eine Beziehung mit mir.

In diesem ganzen Prozess stand neben der Freude über die Schwangerschaft trotzdem eine große Unsicherheit. Die Angst, wie ich das allein schaffen sollte, begleitete mich. Die gesamte Schwangerschaft war zudem dominiert mit Fragen nach blöden Papieren.

Also wenn ich ein Kind in diesem Land kriege, werde ich da als Mutter draufstehen mit falschen Namen. Das ging für mich auf gar keinen Fall. Die Informationen waren sehr undurchsichtig und es war schwer zu recherchieren, ob es andere Optionen gäbe. Scheinbar gäbe es in Münster einen Amtsrichter, der anders entscheide. Wie groß ist das Risiko dann? Was muss ich dafür machen?

Also habe ich andere europäische Länder ausgecheckt. So kam ich auf Schweden. Ich bin zur Klinik dort gefahren und habe mit den Leuten vor Ort gesprochen. Die waren total interessiert und bereit, das auch zu machen. Trotzdem haben sie komische Sachen gesagt. z.B., dass sie die Geburt zu einem bestimmten Zeitpunkt einleiten wollen.

Das war seltsam, weil meine Schwangerschaft an dem Punk total unauffällig und okay war. Also musste es wohl an der Reise liegen, weil ich trans bin oder wegen meines Alters. Ich fand das komisch, weil die Ärzt*innen in Schweden eigentlich entspannt sind und wenig Kaiserschnitte durchführen. Das habe ich alles vorrecherchiert.

Verfolgt hat mich immer diese Unsicherheit, nicht zu wissen, was dann danach eigentlich wird. Damit meine ich den Papierkram und die Frage, ob mich meine Partnerin unterstützt.

In Deutschland hatte ich echt Glück mit meiner gynäkologischen Betreuung. Sie war wirklich super und tiefenentspannt. Es war schön, von ihr Rückendeckung und Sicherheit zu bekommen. Sie war wahrscheinlich so entspannt, da sie zeitgleich auch andere Transmänner betreut hat.



Zeit in Schweden: Geburt und Heimreise

Im Endeffekt war meine Partnerin bei der Geburt in Schweden dabei. 14 Tage vor dem Geburtstermin hat uns eine Freundin rübergefahren. Ich hatte zwei Wohnungen angemietet: Eine für uns und eine für lokale Supportleute. Es war super, eine Person dabei zu haben, die schwedisch spricht und uns auch im Krankenhaus begleitet. Das hat zu meinem Sicherheitsgefühl stark beigetragen.

Und dann, zwei Tage später, kam das Kind zur Welt. So schnell? Was ist denn hier los? Das war natürlich klar, ne? Aber alles in allem war das ganz gut!

Die ersten Tage, Wochen und Monate, die sowieso aufregend sind, hatten bei uns noch diese extra Konnotation: Ich stand quasi im täglichen Briefaustausch mit den schwedischen Steuerbehörden, weil die die Geburtsurkunden ausstellen. Die waren so sweet, entgegenkommend und unterstützend, ich dachte: „Das würde es mit deutschen Behörden so nie geben“.

Und so war es auch. Ich schrieb der deutschen Botschaft und die meinten es gäbe immer Probleme mit Geburtsurkunden aus Schweden. Bla, bla, bla. Sie forderten tausende Dokumente, wie z.B. den Entscheid des Gerichts über meinen Namen. Ich war nur so: „Ne, auf gar keinen Fall.“ Ja und dann?

Also, wir waren in Schweden in dieser Wohnung. Aus dieser mussten wir aber auch schnell wieder raus. Aber der Brief mit der Geburtsurkunde war noch nicht da. Eigentlich wird die Post in Schweden total schnell zugestellt. Der Brief war aber schon vier Tage über dem normalen Zustellungstermin. Und dann, eine halbe Stunde bevor wir mit dem Auto zur Fähre losfahren wollten, kommt diese blöde Geburtsurkunde an.

Aber das hätte eigentlich nicht gereicht, um das Land zu verlassen. Du brauchst eigentlich einen Pass für ein Baby.

Ich habe mir vorher die Gesetze angeschaut: Man zahlt tausende Euro Strafe, wenn man ein Kind ohne Pass über die Grenze bringt. For good reasons! Es geht um Eindämmung von Kindesentführung. Vom Systemischen her war unsere Aktion also hochgradig unsicher.

Wir hatten so ein Glück. Nur weil wir zu spät losgefahren sind, wurden wir vor der Fähre nicht mehr kontrolliert. Ich hatte das schon ausgekundschaftet. Ich wusste: Wir fliegen nicht. Wir fahren nicht mit Zug oder Auto über die dänische Grenze, denn es war klar: Die kontrollieren. Aber wir haben auch das Privileg weiß zu sein. Boatpeople hätten sie bei den Kontrollen auf jeden Fall rausgezogen.



Bürokratischer Hickhack in Deutschland

Und so kamen wir mit dem Kind nach Deutschland. Zuerst bin ich zum Jugendamt gegangen, wo ich die beglaubigten und übersetzten Unterlagen aus Schweden vorlegte. Ich wollte einen Auszug aus einem Sorgerechtsregister, in dem steht, dass ich allein sorgeberechtigt bin. Dann riefen sie mich allen Ernstes an und fragten, wo ich das Kind herhabe. Also erklärte ich denen, dass ich ein Transmann sei und das Kind geboren habe.

Zum Glück waren die schwedischen Behörden so nett, dass sie mir nicht nur den Auszug aus der Geburtsurkunde aus dem Geburtsregister gegeben hatten, sondern auch noch so ein Schreiben dazu, wo draufstand, dass ich der Vater bin.

Das schwedische Recht besagt, dass, wenn du als Person mit männlichem Personenstand ein Kind bekommst, du als Vater eingetragen wirst. Nach einigem Hin- und Her mit dem Jugendamt bekam ich diesen Zettel, auf dem mein korrekter Name draufsteht und dass ich allein sorgeberechtigt bin.
Für andere Transmänner in Deutschland ist das nicht möglich. Bei mir hat das nur dank der schwedischen Geburtsurkunde geklappt, auf der mein richtiger Name steht.

Das war es aber noch lange nicht. Mit dieser Sorgerechtsauskunft bin ich zum Bürgeramt, um einen Pass für mein Kind zu beantragen. Die Beamtin schaute sich die Papiere an und fragte: „Aber einen Pass von der Mutter haben Sie nicht für mich, oder?“ „Sie haben alles vor sich, was sie brauchen“, entgegnete ich.

Dieser Satz wurde zu meiner Standardantwort. Sie erklärte mir, dass ich den Pass eigentlich hätte in Schweden beantragen müssen und, dass diese Situation wirklich sehr schwierig sei. Mit ihrem Beamtinnenstolz hat sie es dennoch geschafft, das System zu überlisten.

Ich wurde überall gewarnt: Machen Sie auf keinen Fall eine deutsche Nachbeurkundung. Nach dem deutschen Recht hätten sie mich als Mutter eingetragen und mit dem falschen Namen. Was soll ich mit diesem Dokument? Damit kann ich nichts anfangen. Und die schwedische Geburtsurkunde ist gültig. Lebenslang.

Eine weitere Geschichte kann ich aus dem Finanzamt erzählen: Ich beantragte Steuerklasse zwei. Auch die Beamt*innen sagten: „Sie müssen etwas eintragen zur Mutter. Wir müssen etwas in der Spalte eintragen.“ Ich schlug vor, dass Sie einen Strich eingetragen. Es klappte. Für 18 Jahre habe ich diese Steuerklasse zwei sofort bekommen. Während ein Freund von mir, der in Deutschland sein Kind geboren hat mit vorläufiger Geburtsurkunde, diese jedes Jahr wieder neu beantragen muss. Und immer die Frage: Wo ist denn die Mutter? Weil, machen wir uns nichts vor, Männer können keine Kinder kriegen.



Als wäre es nicht schon genug…

Dann kam dieser ganze Schlamassel: Zeitgleich zu meiner Schwangerschaft bekam meine Mutter eine Krebsdiagnose. Es war eine heavy Zeit, mit echt krassen OPs und Reha. Als ich ihr nach 12 Wochen endlich sagen konnte, dass ich schwanger bin, war das für sie ein Lebensbooster. Sie hat sich zwei Jahre zurück ins Leben gekämpft.

Sie hat allen davon erzählt, wollte nichts verpassen und immer den nächsten Schritt von ihrem Enkelkind Nora mitbekommen. Es war nicht nur einfach, aber es war super, dass sie noch so viel von Nora mitgekriegt hat. Meine Eltern waren von dem Moment an, wo ich von der Schwangerschaft erzählt habe, ein super wichtiger Support Faktor.



Meine Partnerin und die Adoption

Spätestens mit der Geburt war es um meine Partnerin geschehen. Ab Tag Eins übernahm sie die zweite Elternrolle. Irgendwann meinte sie, dass, wenn sie die Verantwortung und die Rolle übernähme, sie auch alle Rechte haben wolle. Sie wollte Nora gerne adoptieren.

Mir war klar, dass wenn es eine zweite Person gibt, die Verantwortung für das Kind übernehmen möchte, es das Beste sei, was dem Kind passieren könne. Nicht nur rechtlich und finanziell, sondern es gibt eben zwei Personen, an denen das Kind sich orientieren kann. Das ist eine ganz andere Sicherheit. Befeuert hat dieses Gefühl auch die Tatsache, dass meine Mutter stirbt. Ich wollte, dass alles in trockenen Tüchern ist und wir rechtlich abgesichert sind.

Dann ging das Gezeter wieder los. Wir mussten eine*n Notar*in und Rechtsanwält*innen konsultieren. Wie funktioniert das nach deutschem Recht? Wird mein Personenstand hinterfragt? Wollen die deutschen Behörden die Geburt beurkunden?

Zu dem Zeitpunkt ist eine neue Gesetzesnovelle in Kraft getreten. Nach dieser muss bei einer Adoption von einer*m neue*n Partner*in des verbleibenden Elternteils eine verpflichtende Adoptionsberatung stattfinden. Diese Adoptionsstelle ist beim Land Berlin angesiedelt. Also tanzte ich da vor.

Weil meine Situation so besonders sei, hatte ich das Vergnügen, nicht nur mit den Sachbearbeiter*innen, sondern mit der Chefin der Institution zu sprechen. Das Gespräch lief nach dem Motto: „Erzählen Sie doch mal, wie kommen Sie zu diesem Kind? Wie sind Sie denn so als Mann dazu gekommen?“ Diese Zwangsberatung war alles andere als eine Beratung. Es war ein reines Rechtfertigen.

Zum Glück war diese Behördenchefin dabei. Denn die Sachbearbeiterin wollte unbedingt meinen alten Namen auf dieses Beratungsformular schreiben und sträubte sich gegen meinen Wunsch, dass da nicht Mutter draufsteht, sondern einfach verbleibendes Elternteil. Ich musste meine ganze Erfahrung als trans Aktivist und als eloquenter Mensch aufbringen, um sie davon zu überzeugen, dass kein Blödsinn in diesem A4 Formular drinsteht.

Der bessere Name für diese Adoptionsstelle wäre Adoptionsverhinderungsagentur. Die Sachbearbeiterin hat uns nur Hindernisse aufgezeigt. Wir haben sogar extra geheiratet damit eine Adoption einfacher wird. Trotzdem meinte die Sachbearbeiterin, dass das keine Garantie sei. Was ist beispielsweise mit der Selbstständigkeit ihrer Partnerin? Sind sie überhaupt finanziell abgesichert? Meine Fresse… Viel mehr haben wir diese Person beraten, als andersrum.

Geschafft! Dann mussten wir beim Jugendamt in Neukölln vorsprechen und die Beamt*innen kündigten sich für einen Hausbesuch an. Die Beamt*innen waren freundlich, höflich und wohlwollend und beschrieben uns als eine total liebevolle Familie. Sie fragten, „wie können wir Sie noch unterstützen?“ Ich bat sie, mich im auf dem Zettel für das Gericht als Vater zu referenzieren. Die standen echt total auf unserer Seite.  

Nächster Schritt: Gericht. Die Richterin erklärte, dass sie mal die Daten und Namen checken würde. Es folgte ein siebenminütiger Monolog darüber, dass doch jedes Kind darüber zu informieren sei, wo es herkomme. Ich hoffe, ich sehe sie nie wieder. Sie akzeptierte dennoch die Adoption. Also Ende gut, alles gut.  



Das muss gefeiert werden!

Für uns war die Entscheidung, dass meine Partnerin Nora adoptieren würde, so groß, dass wir ein fettes Fest planten. Andere Leute laden zur Hochzeit, Geburt oder Taufe ein. Wir haben die Adoption zur Feier gemacht. Wir hatten die Idee, Räume zu kreieren, um neue und andere Formen von Familien zu zelebrieren. Und das wurde von unseren Gästen sehr gut angenommen. Es war so schön, zu sehen, dass wir einen so großen, wohlwollenden und unterstützenden Kreis haben.

Ich hatte während meiner Schwangerschaft ein Support-Treffen organisiert, an dem alle Leute, die mich unterstützen wollten, eingeladen waren. Wenn ich jetzt zurückblicke, sind viele Freund*innenschaften auseinander gegangen. Dafür weiß ich: Die zuverlässigen Leute bleiben. Ich habe echt bittere Erfahrungen gemacht. Leute haben mich hängen lassen wegen dieser Berliner Unverbindlichkeit und ihrem Stresslevel.

Trotzdem war es so schön, gemeinsam mit den Freund*innen zu feiern, auf die ich mich wirklich verlassen kann. Für mich war es besonders schön, diesen großen Unterstützer*innenkreis zu sehen, da zu dem Zeitpunkt meine Mutter gerade verstorben ist. Sie hat sich bis zu unserer Hochzeit durchgeschleppt und dann hat sie aufgegeben – im wahrsten Sinne des Wortes.



Dann kam der Alltag dazwischen

Und dann nagte der Zahn der Zeit an uns. Im Januar 2024 hat sich meine Partnerin von mir getrennt. Zum Glück war das aber keine große Veränderung: Wir haben schon getrennt gewohnt, sie hatte eine Wohnung im gleichen Haus. Das heißt, wir hatten schon ab Geburt ein Wechselmodell, indem wir uns immer jede Nacht abwechselten.

So haben wir auch jetzt noch sehr viel Familienalltag zusammen und bleiben wichtige Bezugspartner*innen füreinander. Und das, obwohl die Trennung noch so frisch ist. Wir sind entspannt miteinander und ich finde, es funktioniert gut. Und wenn es jetzt Pläne gibt wie ein weiterer Umzug oder so, dann vertraue ich, dass wir das gemeinsam hinbekommen.



Eltern sein = Learning by doing 

Was es nicht geben wird, ist ein Upgrade. Nora wird Einzelkind bleiben. Ich hätte mir mehr Kinder gewünscht. Aber ich muss auch ehrlich zugeben, dass Elternsein sein für mich anstrengend ist.

Also das Motto „Du hast es dir so lange gewünscht, dann kriegst du es auch hin“… Wir lernen Elternsein nicht in Kursen. Ich habe sehr früh gemerkt, ich brauche meinen eigenen Space. Und den fordern auch Kinder ein. Es fiel mir nicht immer leicht, vollständig anwesend zu sein.

Lustigerweise hatte meine Ex-Partnerin keinen Kinderwunsch und ist aber total easy in diese Rolle reingeflutscht. Sie ist mit Leib und Seele Mutter. Trotzdem hadert sie immer noch damit. Das hat wahrscheinlich mit unserer Trennung zu tun und dass der Kinderwunsch keine freiwillige Entscheidung war, die wir gemeinsam entschieden haben. Heute würde sie Nora aber auf keinen Fall wieder hergeben.



Platz für Emotion?

Die Gleichzeitigkeit von bürokratischem Hickhack und den Emotionen der Schwangerschaft begleiteten mich die ganze Zeit. Ich hatte ständig das Gefühl, in einer sehr unfairen Situation zu sein. Ich habe mich den Behörden so ausgeliefert gefühlt. Es war schon eine große Sache, für die Geburt meines ersten Kindes in ein anderes Land zu gehen. Der ganze Orgakram ist total anstrengend. Beispielsweise war es unklar, wie viele Kosten die Krankenkasse übernimmt. Im Endeffekt war es ungefähr die Hälfte. Ich musste extra Jobs annehmen, um das ganze Geld zu verdienen.

Zum Glück gibt es die Möglichkeit, Wissen weiterzugeben. So konnte ich – ziemlich proaktiv – in kleinen Facebookgruppen, beim Bundesverband Trans, in Trans Elterngruppen oder unter meinen Freund*innen meine Erfahrungen teilen.

Ein Freund von mir hat sein zweites Kind zum Beispiel in Schweden bekommen. Ich habe mich sehr gefreut, dass er auf meine Erfahrungen zurückgegriffen hat.

Nora ist unsere kleine Schwedin und sehr stolz, in Schweden geboren zu sein. Es ist immer total klar, dass sie irgendwie in meinem Bauch war, dass sie an meiner Brust getrunken hat. Neulich sprachen wir mit einem befreundeten Ehepaar und es ging um Chilis. Nora hat gesagt: „Also als ich bei meinem Papa im Bauch war, hat er keine Chilis gegessen. Stimmt’s, Papa?“ Keine weitere Diskussion. Also, es ist immer schon sehr wichtig gewesen, dass sie nicht nur weiß, wo sie herkommt, sondern auch, dass sie da das Gefühl hat, das ist genauso richtig, wie es ist. Sie soll gar nicht erst das Gefühl bekommen, dass unsere Elternschaft irgendwie komisch sei. Klar, sie merkt, dass die meisten Kinder im Bauch ihrer Mutter waren. Aber unsere Familie ist halt anders!

 

Seit der Geburt treffen wir uns alle paar Monate mit dem Samenspender. Wir haben konstanten Kontakt mit ihm. Für ihn ist es auch nicht immer so einfach. Doch umso älter das Kind wird, desto leichter ist es auch für den Samenspender. Ich habe manchmal das Gefühl, er fühlt sich, als müsse er eine Art Aufsichtsbehörde sein. Er fragt immer, was Nora macht, und lobt uns für die Art und Weise, wie wir mit ihr umgehen. Es funktioniert echt total gut. Er hat sich an seine Absprachen supergut gehalten. Auf diese Zuverlässigkeit waren wir wegen der Adoption auch sehr angewiesen. Also von daher: Sechser im Lotto mit dieser Familienkonstellation.



Unsicherheiten

In Berlin hatte ich zweimal die Situation, wo mich Leute auf der Straße gefragt haben, ob ich schwanger sei. Das sei doch als Mann gar nicht möglich. Es waren jeweils Leute, die nicht aus dem deutschen Kulturkreis stammen. Nachdem ich die Frage bejahte, haben sie mir nur alle Gute gewünscht. Ich frage mich, ob andere Leute, die mich als schwanger gelesen haben, sich nicht getraut haben, mich anzusprechen.

Während meiner Schwangerschaft war ich halt so ein Typ mit Plauze. Als ich sechs Monate vor der Geburt schon mal nach Schweden gefahren bin, um alles auszuchecken, gab es eine doofe Situation. Eigentlich war noch nichts von der Schwangerschaft zu erkennen. Wir sind in einem Bus vom Strand nach Malmö gefahren. Da waren so ältere, schwedische cis Dudes, die sich darüber lustig gemacht haben, dass ich irgendwie so schwanger aussehe. Also, es ist nie wirklich etwas passiert. Trotzdem war die Angst immer da. Besonders im letzten Trimester: Die Leute haben gestarrt und ich konnte die Schwangerschaft wirklich nicht verheimlichen.

Und dann das Stillen – das war eine ganz eigene Odyssee. Es war kompliziert, weil wir ein Brusternährungsset hatten. Da wird die Milch aus der Brust dem Baby mit Schläuchen verabreicht. Weil es relativ kompliziert war, gab es nicht so viele öffentliche Situationen, bei denen uns Leute hätten komisch anschauen können.



Elternsein

Zuletzt möchte ich noch erzählen, dass Nora und ich eine total tolle gemeinsame Zeit haben. Nach der Trennung von meiner Partnerin hat sich alles nicht so einfach angefühlt. Nora und ich waren zum Beispiel zusammen auf Kur. Wir haben quasi drei Wochen aufeinander gehockt – das hat uns beiden gut gemundet!

Jetzt ist es die Kunst, dieses Gefühl von Zusammenhalt in den Alltag zu integrieren. Dieses Kind ist großartig. Ich sag immer: Kinder kommen auf die Welt wie sie sind. Es ist unsere Aufgabe es nicht zu verpfuschen. Das Einzige, was sich ändert, sind ihre Ausdrucksmöglichkeiten. Aber wenn ich mir die Ultraschallbilder anschaue, denke ich BÄHM – sie hat den gleichen Vibe wie heute. Diese Persönlichkeit war die ganze Zeit da. Ich liebe es, wie neugierig sie ist, wie sie Dinge als selbstverständlich sieht, die für so viele Leute ganz und gar nicht natürlich wirken.

Ich bin gespannt, wie unsere Familienkonstellation sich weiterentwickelt. Sowohl die Frage, ob ich eine neue Partnerschaft eingehe, als auch, wie sich die Gesetze reformieren.

Wie toll es ist, dass es für trans Personen mittlerweile kein Widerspruch mehr ist, einen Kinderwunsch zu haben und selber biologisches Elternteil zu werden. Kinderwunsch ist universell und unisex. Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass sich dieses Verständnis endlich normalisiert.

 

 

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